Zuständigkeit für Hilfsmittel, Wartung und Reparaturen – ein ausführlicher Überblick
Wer aufgrund einer Behinderung oder Krankheit auf Hilfsmittel angewiesen ist, muss sich häufig mit Ämtern und Leistungsträgern auseinandersetzen. Dabei stellt sich schnell die Frage: Wer ist zuständig für die Versorgung, die Wartung und die Reparatur solcher Hilfsmittel? In Deutschland ist das rechtlich klar geregelt, doch es gibt Unterschiede je nach Lebensbereich und Ursache der Behinderung. Dieser Beitrag gibt Ihnen einen ausführlichen Überblick.
1. Medizinische Hilfsmittel als Leistungen der Krankenkassen
Beispiele: Rollstuhl, Hörgerät, Prothese, Inkontinenzmaterial, Atemgerät
Zuständig: Die Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten.
Rechtsgrundlage:
§ 33 SGB V – Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln
§ 126 SGB V – Verträge der Krankenkassen mit Leistungserbringern (Sanitätshäusern)
Wartung & Reparatur: Reparaturen und regelmäßige Wartungen gehören zur Leistungspflicht. Sanitätshäuser erledigen diese Arbeiten und rechnen direkt mit der Krankenkasse ab. Lediglich bei unsachgemäßem Gebrauch oder Komfortausstattungen können Eigenkosten entstehen.
Stromkosten: Für elektrische Hilfsmittel (z. B. E-Rollstühle, Beatmungsgeräte, Absauggeräte) müssen die Stromkosten vom jeweiligen Leistungsträger übernommen oder erstattet werden. Diese gehören ebenfalls zum notwendigen Betrieb und damit zur Leistungspflicht.
2. Hilfsmittel im Beruf
Beispiele: Bildschirmlesegeräte, ergonomische Arbeitsstühle, spezielle Software, technische Arbeitshilfen
Zuständig: Je nach Erwerbsstatus unterschiedliche Träger:
Deutsche Rentenversicherung (bei längerer Erwerbstätigkeit)
Agentur für Arbeit (bei Berufseinstieg oder Arbeitslosigkeit)
Integrationsamt (bei schwerbehinderten Beschäftigten, besonders für Arbeitsplatzanpassungen)
Rechtsgrundlage:
§ 49 SGB IX – Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
§ 185 SGB IX – begleitende Hilfen im Arbeitsleben durch das Integrationsamt
Wartung & Reparatur: Diese Kosten übernimmt immer der Leistungsträger, der das Hilfsmittel bewilligt hat. Es gibt dafür oft feste Wartungsverträge mit Anbietern. Auch zusätzliche Betriebskosten (z. B. Strom) sind mit umfasst, wenn das Hilfsmittel ohne diese nicht nutzbar wäre.
3. Hilfsmittel nach Arbeitsunfall oder Berufskrankheit
Beispiele: Prothesen nach Unfall, orthopädische Hilfsmittel, Reha-Geräte
Zuständig: Berufsgenossenschaften (BG) oder andere Unfallversicherungsträger
Rechtsgrundlage:
§ 26 SGB VII – Heilbehandlung und medizinische Rehabilitation
§ 31 SGB VII – Hilfsmittelversorgung einschließlich Reparaturen und Ersatz
Besonderheit: Die Berufsgenossenschaften müssen alle Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit bestmöglich ausgleichen. Deshalb übernehmen sie nicht nur die Anschaffung, sondern auch sämtliche Wartungen, Reparaturen, Ersatzbeschaffungen und laufende Betriebskosten wie Strom.
4. Hilfsmittel zur sozialen Teilhabe
Beispiele: Sportrollstühle, Kommunikationshilfen, Hilfsmittel für Schule, Studium oder Freizeit
Zuständig: Sozialamt / Eingliederungshilfe
Rechtsgrundlage:
§ 75 Abs. 5 SGB IX – Eingliederungshilfe umfasst auch Pflege und Erhaltung von Hilfsmitteln
§ 76 SGB IX – Leistungen zur sozialen Teilhabe
Wartung & Reparatur: Auch hier übernimmt der jeweilige Träger die Kosten. Dazu zählen ebenfalls notwendige Stromkosten für elektrische Hilfsmittel. Betroffene müssen lediglich die Notwendigkeit nachweisen (z. B. durch ärztliche Atteste oder schulische Bescheinigungen).
5. Besonderheiten für Beamte und Soldaten
Beamte
Zuständig: Kombination aus Beihilfe (Dienstherr) und Privater Krankenversicherung (PKV).
Grundsatz:
Beihilfe übernimmt einen Teil der Kosten (je nach Bundesland und Familienstand zwischen 50–80 %).
Die private Krankenversicherung deckt den Rest.
Rechtsgrundlage: Bundes- oder Landes-Beihilfeverordnungen (z. B. § 25 BBhV).
Hilfsmittel & Reparaturen: Medizinisch notwendige Hilfsmittel sind beihilfefähig, ebenso Reparaturen und Ersatz. Stromkosten können übernommen werden, wenn sie im Zusammenhang mit einem beihilfefähigen Hilfsmittel stehen.
Soldaten
Zuständig: Während des aktiven Dienstes die Bundeswehr über den Sanitätsdienst (Heilfürsorge).
Grundsatz:
Soldaten sind heilfürsorgeberechtigt, die Bundeswehr übernimmt alle medizinischen Leistungen einschließlich Hilfsmitteln.
Nach Dienstzeitende: Anspruch auf Beihilfe + PKV, ähnlich wie Beamte.
Rechtsgrundlage: § 69a - Bundesbesoldungsgesetz (BBesG)
Hilfsmittel & Reparaturen: Hilfsmittel werden gestellt, Wartung und Reparatur von Vertragspartnern übernommen. Auch Stromkosten für notwendige Geräte können getragen werden.
6. Zuständigkeitskonflikte
Oft wird der Antrag hin- und hergeschoben mit dem Hinweis: „Wir sind nicht zuständig.“ Damit Betroffene nicht im Regen stehen, gilt:
§ 14 SGB IX verpflichtet die zuerst angefragte Stelle, innerhalb von 2 Wochen zu prüfen und den Antrag ggf. an den zuständigen Träger weiterzuleiten. Eine Ablehnung allein wegen fehlender Zuständigkeit ist unzulässig.
7. Widerspruch bei Ablehnung
Trotz klarer gesetzlicher Regelungen lehnen Leistungsträger Anträge manchmal ab. In diesem Fall ist es wichtig, sich rechtlichen Beistand zu holen.
Fristen:
Widerspruch innerhalb von 1 Monat nach Zugang des Bescheids (§ 84 SGG)
Ohne Rechtsbehelfsbelehrung: 1 Jahr
Form:
Schriftlich per Brief, Fax oder elektronisch mit qualifizierter Signatur
Aktenzeichen oder Geschäftsnummer angeben
Inhalt:
Bescheid genau benennen („Hiermit lege ich Widerspruch gegen den Bescheid vom … ein.“)
Begründung mit ärztlichen Attesten, Gutachten oder Verweis auf einschlägige Rechtsgrundlagen nachreichen
Weitere Schritte:
Wird der Widerspruch abgelehnt → Klage beim Sozialgericht (gerichtskostenfrei)
Unterstützung durch Sozialverbände (z. B. VdK, SoVD) oder Behindertenbeauftragte möglich
Fazit
Die Zuständigkeit für Hilfsmittel, deren Wartung, Reparatur und notwendige Betriebskosten wie Strom ist klar geregelt – allerdings auf verschiedene Leistungsträger verteilt:
Krankenkassen für medizinische Hilfsmittel
Rentenversicherung, Arbeitsagentur und Integrationsamt für berufliche Hilfsmittel
Berufsgenossenschaften bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Sozialämter/Eingliederungshilfe für schulische, soziale und freizeitbezogene Hilfsmittel
Beihilfe und PKV bei Beamten, Heilfürsorge (Bundeswehr) bei Soldaten
Wichtig: Reparaturen, Wartungen und Stromkosten gehören in aller Regel zur Leistungspflicht. Wenn ein Antrag abgelehnt wird, lohnt es sich fast immer, fristgerecht Widerspruch einzulegen und notfalls vor Gericht zu ziehen. Denn das Sozialrecht stärkt Betroffenen deutlich den Rücken.