Erfahrt hier, welche Leistungen betroffen wären und welche Auswirkungen das für Pflegebedürftige hätte.
Vor dem Hintergrund, dass die derzeitige Bundesregierung Überlegungen anstellt, möglicherweis den Pflegegrad 1 zu streichen, möchten wir Euch einen kurzen Überblick bieten, welche Leistungen damit einher gehen und was eine mögliche Streichung dieser, für die Betroffenen bedeuten würde.
Der Pflegegrad 1 ist die niedrigste Stufe innerhalb des deutschen Pflegeversicherungssystems. Er richtet sich an Menschen, die geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen, aber noch kein umfassenderes Maß an Pflege benötigen. Trotzdem spielt dieser Pflegegrad eine wichtige Rolle: Er bietet frühzeitige Unterstützung und hilft, die Selbstständigkeit möglichst lange zu erhalten.
Was ist Pflegegrad 1?
Pflegegrad 1 wird nach einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD) oder durch Medicproof (bei Privatversicherten) vergeben. Dabei wird der Grad der Selbstständigkeit anhand eines Punktesystems ermittelt – des sogenannten Neuen Begutachtungsassessments (NBA).
Menschen, die zwischen 12,5 und unter 27 Punkten erreichen, gelten als „in geringem Maße in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt“ und erhalten Pflegegrad 1.
Typische Situationen, in denen Pflegegrad 1 vergeben wird, sind etwa:
erste körperliche Einschränkungen, zum Beispiel Schwierigkeiten beim Anziehen oder Treppensteigen,
leichte kognitive oder psychische Beeinträchtigungen wie Vergesslichkeit,
ein erhöhter Unterstützungsbedarf bei alltäglichen Aufgaben, ohne dass eine dauerhafte Pflege erforderlich ist.
Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts waren Ende 2023 rund 5,7 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Davon entfielen etwa 782.000 Personen auf Pflegegrad 1 – also rund 14 Prozent aller Pflegebedürftigen.
Welche Leistungen stehen bei Pflegegrad 1 zu?
Im Vergleich zu den höheren Pflegegraden gibt es bei Pflegegrad 1 keine Geldleistungen für häusliche oder stationäre Pflege. Dennoch gewährt die Pflegeversicherung einige wertvolle Unterstützungsangebote:
Entlastungsbetrag: monatlich 125 Euro für Hilfe im Haushalt, Alltagsbegleitung oder Betreuungsangebote.
Pflegehilfsmittel zum Verbrauch: bis zu 40 Euro monatlich, etwa für Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel oder Inkontinenzprodukte.
Zuschuss für Wohnraumanpassung: einmalig bis zu 4.000 Euro, zum Beispiel für den Einbau von Haltegriffen oder eine barrierefreie Dusche.
Hausnotrufsystem: monatlicher Zuschuss von 25,50 Euro.
Pflegeberatung und Pflegekurse: kostenlos.
Diese Hilfen sollen es ermöglichen, dass Betroffene länger selbstbestimmt in der eigenen Wohnung leben können.
Was wäre, wenn diese Leistungen wegfallen?
Die Diskussion um mögliche Kürzungen oder den Wegfall des Pflegegrads 1 betrifft eine große Gruppe von Menschen – insbesondere ältere, alleinlebende oder einkommensschwache Personen. Ein Wegfall hätte weitreichende Folgen:
1. Verlust finanzieller Unterstützung
Wer Pflegegrad 1 verliert, müsste viele kleine, aber wichtige Hilfen künftig selbst finanzieren:
Der Entlastungsbetrag von 125 Euro monatlich entfiele – das bedeutet weniger Hilfe bei Reinigung, Einkäufen oder Betreuung.
Pflegehilfsmittel und Hausnotrufsysteme müssten privat bezahlt werden.
Für notwendige Wohnraumanpassungen gäbe es keine Zuschüsse mehr.
Insgesamt könnte das Mehrkosten von mehreren Hundert bis über 1.000 Euro im Jahr bedeuten – Beträge, die für Rentnerinnen und Rentner mit kleinem Einkommen kaum zu stemmen sind.
2. Geringere Selbstständigkeit und höheres Risiko der Vereinsamung
Die bisherigen Leistungen helfen dabei, Alltagsprobleme früh abzufedern. Fällt diese Unterstützung weg, steigt das Risiko, dass Betroffene ihre Selbstständigkeit schneller verlieren.
Zudem kann der Rückzug aus dem sozialen Leben zunehmen – besonders, wenn einfache Hilfen wie Begleitdienste oder Haushaltshilfen nicht mehr bezahlbar sind. Auch Angehörige wären stärker gefordert, was zu höherer familiärer Belastung führt.
3. Langfristig höhere Kosten für das Pflegesystem
Was kurzfristig wie eine Einsparung wirken mag, kann sich langfristig als teuer erweisen. Ohne frühzeitige Unterstützung entwickeln viele Menschen schneller schwerere Beeinträchtigungen – und rutschen damit in höhere Pflegegrade, die deutlich kostenintensiver sind.
Der Wegfall von Pflegegrad 1 wäre also keine nachhaltige Entlastung, sondern könnte die Gesamtkosten im Pflegesystem langfristig erhöhen.
4. Gesellschaftliche Folgen
Etwa 780.000 Menschen wären unmittelbar betroffen, hinzu kommen ihre Familien. Besonders stark würde dies alleinlebende Senioren, Geringverdienende und Menschen ohne familiäres Unterstützungsnetz treffen.
Darüber hinaus müssten Kommunen, Nachbarschaftsdienste und soziale Träger versuchen, entstandene Lücken zu schließen – allerdings ohne die dafür nötigen finanziellen Mittel.
Warum Pflegegrad 1 wichtig bleibt
Pflegegrad 1 ist mehr als nur eine kleine Stufe in der Pflegeversicherung. Er ist ein präventives Instrument, das dazu beiträgt, Pflegebedürftigkeit zu verzögern, Angehörige zu entlasten und Selbstständigkeit zu erhalten.
Er signalisiert außerdem: Pflege beginnt nicht erst, wenn man vollständig auf Hilfe angewiesen ist. Sie beginnt dort, wo erste Einschränkungen den Alltag erschweren – und wo rechtzeitige Unterstützung entscheidend sein kann.
Der Wegfall dieser Leistungen würde eine empfindliche Lücke im System hinterlassen. Ausgerechnet diejenigen, die versuchen, möglichst lange eigenständig zu bleiben, würden bestraft. Damit ginge ein zentrales Ziel der Pflegeversicherung verloren: Pflegebedürftigkeit vorbeugen, statt sie nur zu verwalten.
Fazit:
Pflegegrad 1 ist ein stiller, aber unverzichtbarer Teil der Pflegeversicherung. Er stärkt Menschen mit geringen Einschränkungen, beugt schwererer Pflegebedürftigkeit vor und entlastet Angehörige. Sein Wegfall würde nicht nur die Betroffenen treffen, sondern das gesamte Pflegesystem schwächen. Deshalb sollte er als das verstanden werden, was er ist: eine Investition in Selbstständigkeit, Prävention und Würde im Alter.